Wie bleiben wir in Krisenzeiten mental stabil?
Wie sprechen wir mit Kindern über den Krieg?
Die Zeiten sind nochmal stürmischer geworden. Ein Krieg in Europa bedroht uns und fordert uns heraus. Der folgende Artikel beschäftigt sich mit folgenden Fragen:
- Wie kann ich als Erwachsener mit der Bedrohung klarkommen?
- Soll ich mit Kindern über den Krieg sprechen? Wenn ja - wie?
- Wie können wir (nicht nur) als Familie in unserem Alltag der Ohnmacht und Angst entgegensteuern.
Was nun? Wege, um trotz der Bedrohung und Unsicherheit mental stabil zu bleiben
Nach den Strapazen der letzten Pandemiejahre liegen die Nerven oft schon blank. Jetzt auch noch ein Krieg? Die enorme Dauerbelastung birgt die Gefahr in sich, dass unsere Gesundheit und Stabilität ins Wanken gerät. Besorgniserregende Nachrichten, Bilder und Geschehnisse lösen in uns eine Stressreaktion aus - unser Körper rüstet sich für Kampf - Flucht - oder Erstarren.
Stress löst in unserem Körper eine Reihe von Reaktionen aus - oft unbemerkt
Stresshormone werden ausgeschüttet, die Muskelspannung steigt, die Leber produziert Blutzucker, damit wir genügend Energie haben etc. Kurzfristig kein Problem - aber langfristig drohen hier stressbedingte Erkrankungen.
Neben dem rein physiologischen Geschehen passiert auch mit unserem Fokus etwas: Er verengt sich und ist ganz auf das Erfassen von Bedrohung ausgerichtet. Unser Nervensystem befindet sich in energieraubender Alarmbereitschaft.

Die Angstspirale zieht uns in einen emotionalen Sumpf - die Kontrolle wiedererlangen sollte das Ziel sein
Wenn wir uns intensiv auf unsere Bedrohung fokussieren, geraten wir in einen Zustand der Angst. Je länger wir in diesem Stressmodus verharren, desto größer ist die Gefahr, dass die Angst sich in fiktiven Szenarien verselbständigt. Stress erschwert lösungsorientiertes Denken. Unser Ziel soll sein, die Kontrolle wieder zurückzugewinnen und Handlungsfähigkeit zu erlangen. Je nach Ausprägung der Resilienz gelingt das mehr oder weniger leicht. Was genau hinter der Resilienz steckt, können sie im Blogartikel "Resilienz - brauch ich das, oder kann das weg?" nachlesen.

Wie kann das gehen, die Kontrolle wieder zu übernehmen?
Wichtig ist, aktiv zu werden. Das ist mit der Übernahme von Eigenverantwortung verbunden. Entscheiden Sie z.B. bewusst, welche Nachrichten und wie viel davon sie konsumieren. Achten sie gut auf ihre Bedürfnisse. Was brauchen sie jetzt, um sich sicher zu fühlen? Der Austausch mit Freunden, ein Gespräch mit einer Beratungsstelle, der Besuch einer Infoveranstaltung können hier mögliche Aktionen sein.
Aus der Haltung des Mitgefühls ist es auch möglich, sich zu engagieren. Die eigenen Stärken und Fähigkeiten einsetzen, um das Leid des Krieges ein wenig zu mildern. Mit-Leid hingegen, eine Verstrickung in übermächtigen Emotionen kann hier in die Enge und ins Erstarren führen.
Mein Rat: Gehen sie immer wieder gut in Kontakt mit sich und erlauben sie sich auch Freude. Tanken sie zwischendurch immer wieder Kraft in der Selbstfürsorge, um dann wieder für andere, für die Familie, für Kinder oder flüchtende Menschen da zu sein.
Wie sprechen wir mit Kindern über den Krieg?

Leitsatz: Wir nehmen das, was auf dem Tisch liegt und kehren nichts unter den Teppich!
Wichtige Kriterien dabei:
- Wie alt ist das Kind?
- Spricht das Kind von sich aus über das Thema
- Wirkt das Kind verängstigt?
Kindgerecht und entsprechend des vorhandenen Vokabulars der Altersstufe soll besprochen werden, was da ist. Fragen, die im Raum stehen, Emotionen, die ausgedrückt werden oder verändertes Verhalten, das wahrgenommen wird.
Kinder registrieren mehr, als wir oft ahnen! Verschweigen regt Ängste an.
Kinder lernen durch Beobachten und Nachmachen. Wenn wir ihnen ermöglichen, uns dabei zu beobachten, wie wir mit unseren Ängsten und Emotionen umgehen und für uns sorgen, profitieren sie fürs Leben.
Sie wegzuhalten von Problemen, ihnen eine "heile Welt" vorzuspielen, kann zur Verstärkung von Ängsten führen. Die Kinder spüren ja, dass etwas in der Luft liegt. Wird es nicht ausgesprochen, konstruiert das Kind entsprechende Geschichten und bezieht das Unausgesprochene schlimmstenfalls auch noch auf sich. Benennen sie ihre Gefühle ohne große Details. Vermitteln sie Sicherheit und zeigen sie auch, wie die Lösung, oder eine Erleichterung aussehen kann.
Beispiel:
"Weißt Du, mir geht es gerade nicht so gut. Die Bilder von den Menschen, die gerade Hilfe brauchen, beschäftigen mich. Ich mach jetzt eine kurze Pause und dann überlegen wir gemeinsam, was wir tun können, um ihnen zu helfen."
Öffnen sie den Kindern mit Fragen individuelle Erfahrungsräume

Wir Erwachsenen tendieren oft dazu, nach Lösungen und Antworten zu suchen, wenn Kinder Fragen stellen, oder emotional reagieren. Wir stülpen ihnen dann unsere Lösung über und nehmen den Kindern somit die Möglichkeit, eigene Lösungen zu entwickeln. Mit geschickten Fragen fördern wir die Kinder in der Entwicklung und unterstützen sie beim "Sortieren" des inneren Geschehens.
Beispiel:
- Ich habe gerade das Gefühl, dass Du sehr traurig (besorgt, wütend, enttäuscht...) bist. Stimmt das?
- Was würde Dir denn jetzt guttun?
- Magst Du mir erzählen, wie Du darauf kommst, mich das zu fragen?
Mit diesen Fragen holen wir das Kind dort ab, wo es gerade steht. Wir umgehen die Gefahr, es mit zu vielen Details zu überschütten und können den Emotionen und aktuellen Beweggründe des Kindes näher erforschen.
Bleiben sie präsent und geben sie Sicherheit - authentisch und nahbar
Manchmal stellen Kinder Fragen, auf die es im Moment keine Antworten gibt. Bleiben Sie in jedem Augenblick authentisch und vermitteln sie trotzdem maximale Sicherheit und Orientierung. Gehen Sie immer wieder bewusst in die Aktion.
Beispiele:
- Ja, das ist wirklich traurig, was da grade passiert. Und trotzdem werde ich gut auf Dich aufpassen.
- Ja, ich kann verstehen, dass Dir die Kinder leidtun. Hast Du eine Idee, wie wir Ihnen ein wenig helfen könnten?
- Ich weiß nicht wie lange der Krieg noch dauert, das macht mich auch traurig. Lass uns zusammen Friedenstauben basteln (z.B.)

Wie viel und welche Information über das Kriegsgeschehen ist gut?
Das Motto: Dem Alter und der Lebenswelt des Kindes entsprechend und gut dosiert.
Am wichtigsten und hilfreichsten ist das direkte Gespräch. Verwenden Sie dabei Beispiele aus dem Alltag des Kindes. Streit gibt es auch im Kindergarten oder in der Schule. Beantworten sie die Fragen des Kindes mit so vielen Details wie nötig und so wenig wie möglich.
Auch für Erwachsene soll die Nutzung von Medien und Nachrichten, grundsätzlich und gerade in diesen Zeiten, sehr bewusst und dosiert gestaltet werden. Schützen Sie sich vor Fake-News und nutzen sie maximal 2x täglich seriöse Nachrichtenquellen. Organisationen wie Mimikama widmen sich dem Faktencheck und liefern einen unschätzbaren Beitrag für unsere Social-Media-lastige Informationsbeschaffungskultur.
Tipps für die Gestaltung des (Familien-)Alltags in Krisenzeiten
Die "Homebase" ist als Sicherheitszone in Krisenzeiten besonders wichtig. Sie gibt Sicherheit und Halt und lässt uns zur Ruhe kommen, wenn im Außen der Sturm tobt.
Nähe und Geborgenheit machen stark!
Diese Nähe kann, muss aber nicht unbedingt körperlich spürbar sein. Bewusst gestaltete Qualitätszeiten miteinander, oder auch nur mit einem Kind, lassen Beziehung spürbar werden. Dabei ist nicht die Dauer des Miteinanders ausschlaggebend, sondern die Tiefe und Nähe. Vielleicht bei einem gemeinsamen Spiel, einem Spaziergang oder beim Kochen des Lieblingsessens.
Achtsamkeitsübungen sind ein wunderbarer Weg, um in sich Ruhe und Frieden zu erspüren.
Probieren Sie es aus und kommen Sie gemeinsam mit Ihrem Kind - oder auch alleine zur Ruhe.
Die Kuscheltieratmung für jüngere Kinder
Durch die tiefe Bauchatmung sehr entspannend
Die "Guten Wünsche" für Kinder ab Schulalter und natürlich auch für Erwachsene sehr wohltuend

Rituale geben Sicherheit und Orientierung
Wiederkehrende Abläufe sind wohltuend für uns und vor allem auch für unsere Kinder. In unruhigen Zeiten, sollten Alltagsrituale wieder verstärkt zelebriert, oder auch neu eingeführt werden.
Beispiele:
- Das gemeinsame Essen mit einer Kerze am Tisch
- Ein bewusster Tagesabschluss, in welchem die positiven Ereignisse und Glücksmomente reflektiert werden
- Eine besondere Geste beim Verabschieden
Sie haben hier bestimmt ihre eigenen Familienrituale oder Ideen dazu. Pflegen sie diese und schmieden sie so das Glück - auch in stürmischen Zeiten.
Ich wünsche Ihnen dazu das Beste!